Letzte Beitragsänderung erfolgte am 12.09.2022.
Ihr spielt Klavier oder Orgel oder wollt einmal ein neues Instrument ausprobieren? Dann kommt hier der ultimative Tipp aus Japan: eine Miniorgel zum Selberbasteln! Der Clou sind die verwendeten Pfeifen …
Corona, Musik und Basteln
Die Corona-Pandemie bedeutet für viele Musikerinnen und Musiker, dass ihnen die üblichen Probenräume nicht mehr zur Verfügung stehen, sie nicht mehr mit anderen zusammen musizieren können und alle Live-Konzerte ausfallen müssen. Und für alle Musikfreunde heißt es: Musik aus der Konserve anhören oder selbst musizieren.
Das reduzierte Sozial- und Kulturleben in Zeiten von Corona verschafft aber auch Freiräume, um sich mehr mit Musik oder Heimwerken – oder beidem – zu beschäftigen.
Orgel für den Schreibtisch
Lange schon vor Corona ist eine japanische Tüftler-Gruppe namens R-MONO Lab auf die Idee gekommen, eine kleine Heimorgel selbst zu basteln.
Bei der Suche nach geeignetem Material für die Pfeifenorgel kamen die Tüftler auf ein Instrument aus ihren Kindheitstagen: die Blockflöte. Also haben sie für ihre Orgel als Pfeifen einfach Blockflöten verwendet.
Exkurs 1: Blockflöte
Falls ihr zu denjenigen gehört, denen bei Blockflöte nur die Sopranblockflöte einfällt, weil ihre diese einmal im Kindergarten oder in der Grundschule als Erstinstrument kennengelernt habt, seid hiermit belehrt: Die Blockflöte stellt eine ganze Instrumentenfamilie dar, vom handtellergroßen Garkleinflötlein bis hin zur über zwei Meter (fast drei Meter?) hohen Subkontrabassblockflöte in B. Und sie ist nicht nur eines der ältesten, sondern meiner Meinung nach auch eines der schönsten Musikinstrumente der Welt!
Für „Blockflöte“ verwendet man im Japanischen übrigens den englischen Begriff „recorder“: リコーダー.
Bestandteile der Blockflötenorgel
Aber kehren wir zum Musikinstrumente-Basteln zurück:
Für die selbstgebastelte Orgel haben unsere japanischen Genies natürlich keine teuren Holzflöten verwendet, sondern auf günstige Plastikblockflöten zurückgegriffen. Um den einzelnen Blockflöten die richtige Tonhöhe zu geben, haben sie die entsprechenden Löcher mit Klebeband zugeklebt.
- Die erste Version („RP-103“) besteht aus vier Altblockflöten und neun Sopranblockflöten.
- Die später entwickelte, kleinere Version („RP-09“) wurde mit nur neun Sopranblockflöten gebaut und passt auf ein DIN-A4-Blatt.
- RP-103 und RP-09 können miteinander gekoppelt und an eine gemeinsame Klaviatur angeschlossen werden. Die 22 Blockflöten ergeben dann fast zwei Oktaven.
Aber Pfeifen alleine ergeben noch keine Orgel. Man benötigt noch eine Luftzufuhr (Pumpe und Luftspeicher), Ventile mit einer Traktur (um den Pfeifen Luft zuzuführen oder die Luftzufuhr zu sperren) und eine Klaviatur.
Und dabei belassen es Technik-Tüftler wie R-MONO Lab natürlich nicht. Sie haben das ganze noch mit einem PC verbunden, um MIDI-Dateien abspielen zu lassen.
Weitere Komponenten für die „Hybrid Recorder Pipe Organ“ (Liste ohne Gewähr auf Vollständigkeit):
- Luftzufuhr: Fußpumpe, Strandluftball, Gewichte, Schlauch,
- Luftventile: Takaha Hubmagnete,
- Steuerung: Mikrocontroller Arduino UNO,
- Stromversorgung : DC12V,
- Klaviatur: Roland K-25m Keyboard Unit – oder Interface: MIDI Input Connector sowie
- weitere Teile für das Gehäuse, Kabel etc. pp.
Videos zur Blockflötenorgel
Und wie klingt nun so eine selbstgebaute Orgel für daheim?
- Spielbeispiel 1: Johann Sebastian Bach, „Jesus bleibet meine Freude“ (BWV 147): Video von R-MONO Lab auf YouTube
- Spielbeispiel 2: Yellow Magic Orchestra, „Rydeen“: Video von R-MONO Lab auf YouTube
Video über die Entstehung der Blockflötenorgel
R-MONO Lab hat auch ein lustiges Video dazu gedreht, wie die Idee zur Blockflötenorgel entstanden ist und wie die Weiterentwicklung vonstatten ging (natürlich mit einem Witz zum Image der Blockflöte: die am Küchentisch trötende Tochter): Video von R-MONO Lab auf YouTube
Exkurs 2: Orgel und Blockflöte
Wer Blockflötenquartette, wie das niederländische Blockflötenquartett „Amsterdam Loeki Stardust Quartet“ oder das „Flanders Recorder Quartet“ kennt, erinnert sich vielleicht an ein paar Aufnahmen, bei denen man denkt: Sind das wirklich vier Blockflöten oder spielt da eine Orgel?
Dies ist gar nicht verwunderlich. Denn die Pfeifen einer Orgel setzen sich meist aus Zungenpfeifen und Lippenpfeifen zusammen. Letztere, auch Labialpfeifen genannt, erzeugen ihren Ton auf ähnliche Weise wie die Blockflöte: Die Luft wird durch einen schmalen Spalt gegen eine Kante, das sogenannte Labium, geblasen.
Challenge?
Tja, was soll ich sagen: Als ich das erste Foto von der Blockflötenorgel sah, dachte ich nur: Cool! かっこういい!
Aber wenn ich mir jetzt die technische Seite anschaue (Links zu den Anleitungen weiter unten), muss ich leider passen: Ich bin gewiss nicht in der Lage, das nachzubauen.
Aber vielleicht findet sich ja jemand unter meinen Leserinnen und Lesern, der/die die Blockflötenorgel nachbaut und mir dann ein Foto zur Veröffentlichung auf „Japan begeistert!“ zur Verfügung stellt?
Weiterführende Informationen
- Internetseite zur Blockflötenorgel (Hybrid Recorder Pipe Organ) RP-103 (japanisch/englisch): Am Ende der Seite stehen Links zu den technischen Anleitungen:
- Schaltplan, Quellcode usw. auf GitHub (englisch)
- Beschreibung der RP-103-Hubmagnetventile (japanisch)
- Beschreibung der RP-103-Platine (japanisch)
- Internetseite zur kleineren Blockflötenorgel RP-90 (japanisch/englisch)
Genial und witzig dazu! Danke für die Links und die tolle Erklärung!