Kyaraben – Zum (Fr)Essen gern!

Letzte Beitragsänderung erfolgte am 12.09.2022.

Kyaraben?! Noch nie gehört? Dabei haben es alle japanische Kinder zum (Fr)Essen gern!

Kyaraben (キャラ弁 / きゃらべん) ist eine Abkürzung für character bentō, japanisch ausgesprochen: kyarakutā bentō (キャラクター弁当 / きゃらくたあべんとう). Manchmal schreibt man es in lateinischer Schrift auch „charaben“. Gemeint sind damit jene bentō mit niedlichen Elementen, die insbesondere Mütter von Kindergarten-Kindern für ihre kleinen Zöglinge zaubern.

Was ist ein bentō?

Aber kurz einen Schritt zurück: Was ist erst einmal ein bentō (弁当 / べんとう)? – In Ermangelung eines passenden deutschen Wortes für bentō übersetzt man es gerne mit dem englischen Begriff lunch box. Von der Form her ähnelt eine moderne (einstöckige) bentō-Dose einer deutschen Butterbrotdose mit abnehmbaren Deckel. Es gibt aber auch solche, bei denen zwei Schalen übereinander gestapelt werden, und aufwendige traditionelle bentō-Kästchen.

Der Zweck einer bentō-Box entspricht dem eines deutschen Henkelmanns: das Mitnehmen des daheim zubereiteten Essens zur Arbeit, in die Schule, Uni etc.

In die bentō-Box werden kleine Portionen unterschiedlicher (kalter) Gerichte drapiert und mittels Trennwände voneinander getrennt. Bei den Gerichten ist fast immer eine Portion Reis dabei; die restlichen Bestandteile sind frei wählbar. Manchmal nimmt die japanische Ehefrau und Mutter dafür Reste vom Abendessen, manchmal kocht sie extra für das bentō.

Man kann aber auch fertige bentō überall kaufen: im Supermarkt, am Bahnhof etc. – Während meines Sprachkurses in Fukuoka habe ich mittags häufig ein bentō gegessen, das ich im konbini (japanische Abkürzung für „convenience shop“) oder am Bahnhof gekauft hatte. Ich befürchte, dass ich für den täglichen Plastik-Abfall, den ich damit verursacht habe, eines Tages im Höllenkreis für Umweltsünder schmoren werde …

Was ist ein kyaraben (kyarakutā bentō)?

Wie gesagt ein character bentō = kyarakutā bentō (キャラクター弁当 / きゃらくたあべんとう), kurz: kyaraben, stellt eine besondere Form eines bentō dar: Hierfür werden die Bestandteile so drapiert, geformt und verziert, dass sie wie Manga-Figuren, Tiere, Gesichter, Blumen etc. aussehen. Der Kawaii-Faktor – kawaii (かわいい) = dt. niedlich – eines kyaraben ist natürlich enorm!

Die gesellschaftliche Bedeutung von kyaraben wurde mir übrigens dank einer japanischen TV-Serie aus dem Jahr 2007, „Abarenbō Mama“ (暴れん坊ママ / あばれんぼうまま) bewusst. Am Ende der ersten Folge sieht sich die Hauptfigur Kawano Ayu, eine junge Stiefmutter wider Willen, mit dem Problem konfrontiert, dass die Kindergarten-Leiterin strikte Vorstellungen davon hat, wie ein bentō für Kinder zusammenzustellen sei und wie es auszusehen habe. Auf dem Weg zur idealen Kindergartenkind-Mutter muss Ayu also nun lernen, wie man ein niedliches kyaraben zubereitet. Und es dauert eine ganze weitere Episode, bis sie ihren kleinen Stiefsohn dazu bringt, das von ihr mit viel Fleiß und Mühe zubereitete kyaraben auch aufzuessen …

Nachtrag 29.11.2017

Dieses Jahr (10. Juni 2017) hat sich auch ein Kinofilm dem Thema bentō (wenn auch nicht kyaraben) gewidmet: „Dad’s Bento“ oder „Papa no obentō wa sekai ichi“ (パパのお弁当は世界一 / ぱぱのおべんとうせかいいち):
Trailer auf YouTube (japanisch)

Vegetarisches kyaraben, geht das?

Im Rahmen meines Sprachkurses bei GenkiJACS Fukuoka durfte ich auch einen Kyaraben-Workshop besuchen. Da ich Vegetarierin bin, musste ich etwas improvisieren. Denn ohne die Mini-Würstchen und Fleischbällchen, die u. a. für das bentō vorgesehen waren, waren meine Gestaltungsmöglichkeiten doch etwas eingeschränkt. Hier seht ihr mein Ergebnis:

Und wie macht man das? – Zum Teil ganz einfach, zum Teil aber auch ganz schön schwierig.

Zunächst einmal benötigt man die Zutaten, das heißt die fertig gekochten Gerichte selbst und essbares Material für die Verzierungen, wie Nori-Blätter, Scheibletten-Käse etc. Hilfreich können dann die ganzen Gimmicks sein, die sich japanische Firmen extra für die kyaraben-Zubereitung ausgedacht haben: zum Beispiel Nori-Stanzer, Reisformen, Eierformen, Sandwich-Ausstecher, diverse Ausstechformen etc.

Unsere kyaraben-Lehrerin hatte beispielswiese Ausstechformen dabei, mit denen man den Mini-Würstchen ein Oktopus-Gesicht eindrücken konnte. Mit dem Messer wurde dann das eine Würstchen-Ende in Oktopus-Beine aufgefächert.

Nori-Verzierung

Für das aus Nori (海苔 / のり), also getrockneten Meeresalgen, gefertigte Comic-Gesicht auf unseren Reisbällchen (jap. onigiri (おにぎり)) stand uns allerdings kein Nori-Stanzer zur Verfügung. Hier war Geschick gefragt, denn wir mussten das Nori-Blatt mithilfe eines Skalpells und einer darüber platzierten Zeichenvorlage selbst ausschneiden. Ganz schön schwierig, das hinzubekommen! Die Vorlage muss so gestaltet sein, dass alle Linien des Comic-Gesichtes miteinander verbunden sind. Beim Schneiden darf nichts auseinanderfallen und am Ende muss man das Ausgeschnittene mithilfe einer Pinzette vorsichtig auf den Reis legen.

Nori-Verzierung ausschneiden
Nori-Verzierung ausschneiden (Foto: © fduprel)

Bananen-Verzierung

Viel leichter ging die Verzierung der Banane: Auch hier befestigt man mit Klebestreifen eine gedruckte Zeichnung auf der Banane. Dann nimmt man eine Stecknadel oder einem Pin und sticht immer wieder entlang der Linien der Zeichnung in die Banane (nicht tiefer als die Schale reicht). Die Punktierungen verfärben sich dank Oxidation dunkel und auf der Banane erscheint das Bild. – Das ist eine tolle Idee, die man auch einfach mal so mit einer Banane machen kann, ohne ein bentō zusammenstellen zu müssen.

Wie gesagt, als Vegetarierin hatte ich es im Workshop wegen der vorhandenen Zutaten nicht so leicht. Und ich war ein bisschen neidisch auf die Mini-Würstchen-Oktopusse und aus Fleißklößchen gestalteten Rußmännchen der anderen Teilnehmer. (Rußmännchen sind Figuren aus den beiden Anime „Mein Nachbar Totoro“ und „Chihiros Reise ins Zauberland“.)

Aber wenn man im Internet recherchiert, findet man viele tolle Vorschläge auch für vegetarische kyaraben, z. B. auf http://www.bento-und-mehr.de.

Bentō-Box packen

Um die bentō-Box schließlich für die Mitnahme zu vervollständigen, benötigt man noch Trennblätter (oder stattdessen Salatblätter), Saucen-Behälter bzw. Mini-Plastikfläschen für die Soja-Soße, Essstäbchen und eventuell Plastik-Pieker. Das Essen sollte so eng gepackt werden, dass nichts verrutschen kann. (Mein obiges bentō ist also wahrlich kein Vorbild!!!) Traditionell wird die bentō-Box für den Transport übrigens in ein Tuch, ein furoshiki (風呂敷 / ふろしき), eingepackt, das man zuknotet.

Da bleibt mir zum Schluss nur einzugestehen, dass ich für die Zubereitung eines kyaraben einfach zu faul bin. Immerhin hat selbst unsere kyaraben-Lehrerin zugegeben, dass sie für ihre kleine Tochter nur einmal in der Woche eine kyaraben zubereite, weil es eben so zeitaufwendig ist. Ein weiterer Punkt ist, dass beim kyaraben so viel „Abfall“ entsteht. Was macht man mit den Nori-Blatt-Resten, was mit den Sandwichresten, die verbleiben, wenn man mit dem Sandwich-Ausstecher einen niedlichen Bären ausgeschnitten hat, etc. pp.? Ich kann mir bei der schlanken Figur der meisten Japanerinnen schlecht vorstellen, dass sie die Reste dann selbst verputzen …

Links

Literaturtipps

  • Cam Tu Nguyen: Das Bento Lunch Buch. Anregungen, Tipps und Rezepte für jeden Tag. Verlag: Jaja Verlag 2015. ISBN 978-3-943417-74-6
  • Makiko Itoh: Bento für jeden Tag. Kreative gesunde Mahlzeiten zum Vorbereiten und Mitnehmen. Verlag: Riva 2016. IBSN 978-3-86883-938-8
  • Angelina Paustian: Manga Kochbuch Bento: Japanische Lunchboxen leicht gemacht! Verlag: avBuch im Cadmos Verlag 2016. ISBN 978-3-8404-7042-4

Anmerkung: Auf Deutsch scheint es bisher noch kein Kochbuch speziell für kyaraben zu geben.

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