Filmkritik: „Perfect Days“ (2023)

Seit Ende Dezember 2023 läuft in deutschen Kinos „Perfect Days“ von Wim Wenders. Der ruhige, fast meditative Film stellt am Beispiel des bescheidenen Lebens eines japanischen Toilettenputzers die großen Fragen des Lebens: Was ist Glück? Was macht ein zufriedenes Leben aus?

Zum Inhalt des Films „Perfect Days“

Der eher schweigsame, schon etwas ältere Hirayama (平山) arbeitet als Toilettenreiniger in der japanischen Hauptstadt Tokio. Im Gegensatz zu seinem jüngeren Kollegen Takashi (タカシ) scheint ihn seine Arbeit zu erfüllen, und er geht ihr mit großer Sorgfalt nach.

Hirayama führt ein zufriedenes Leben. Er erfreut sich an den kleinen Dingen des Lebens und an seinen Hobbys: Er fotografiert mit einer alten Kamera, hört Kassetten mit amerikanischer Rockmusik, zieht in Töpfen Bäumchen groß, geht täglich ins Badehaus und liest vor dem Einschlafen Romane.

Wir begleiten ihn bei seinem fast immer gleichen Tagesablauf. Nur ab und zu unterbrechen unerwartete Ereignisse seine Alltagsroutine. Manche bereichern sein Leben, andere bringen seine Lebensbalance ins Wanken.

Filmtrailer zu „Perfect Days“

Trailer mit deutschen Untertiteln auf YouTube

Meine Meinung zum Film

Drehbuch/Story

Es passiert nicht wirklich viel im Film „Perfect Days“. Die Wiederholung des fast immer gleichen Alltags zu Beginn des Films gibt einem das Gefühl, eine meditative Fassung des amerikanischen Klassikers „Und täglich grüßt das Murmeltier“ („Groundhog Day“) zu sehen. Umso stärker blitzt aber der Ausdruck von Glück in Hirayamas (平山) Augen auf, wenn er sich über Kleinigkeiten freut, die die Menschen um ihn herum gar nicht mehr wahrnehmen.

Die langsame Erzählweise lässt viel Raum, über das Gesehene nachzudenken und eigenen Assoziationen und Gedanken nachzuhängen.

Was ist Zufriedenheit? Wie viel braucht es im Leben, um glücklich zu sein? Sind Veränderungen Freund oder Feind des Alltagsglücks? Wie wichtig ist die Balance zwischen Arbeit und persönlichen Freiräumen?

Und: Was bestimmt den Wert einer Arbeit: die Güte der Arbeit und der tatsächliche Nutzen für die menschliche Gemeinschaft oder die Bewertung einer Tätigkeit in Form von Geld und Wertschätzung durch die Gesellschaft?

Die Geringschätzung, die Hirayama für seine Arbeit als Toilettenputzer erfährt, erinnert mich an die japanische Krimi-Fernsehserie „Unnatural“ (アンナチュラル): Darin zählen die Gerichtsmedizinerinnen die sieben „K“s auf, mit denen ihre Arbeit negativ beurteilt wird:

  • kitsui (きつい): beschwerlich, hart;
  • kitanai (汚い / きたない ): schmutzig;
  • kiken-na 危険な / きけんな): gefährlich;
  • kusai (臭い / くさい ): stinkend;
  • kyūryō yasui (給料安い / きゅうりょうやすい): schlecht bezahlt;
  • kimochi warui (気持ち悪い / きもちわるい): eklig, abstoßend.

Also alles in Allem:

  • kuso (糞 / くそ): Scheiße.

Hirayama zeigt jedoch, dass seine Arbeit nicht „kuso“ ist und man aus jeder Arbeit, die man mit Hingebung ausführt, Zufriedenheit zieht. Die Geringschätzung seiner Mitmenschen lässt er normalerweise nicht an sich herankommen – nur der Blick seiner Schwester trifft ihn schmerzlich.

Schauspielerische Leistung

Zu Recht hat der Hauptdarsteller Yakusho Kōji (役所広司) 2023 bei den Filmfestspielen von Cannes den Preis für den besten Darsteller (Prix d’interprétation masculine) erhalten. Sein Mienenspiel drückt mehr als tausend Worte aus.

Spannend wird sein, ob „Perfect Days“ auch den Oscar für den besten internationalen Film 2024 gewinnen kann.

Mein persönliches Fazit

Ein sehenswerter Film, der zum Nachdenken über Zufriedenheit, Glück und den Wert von Arbeit anregt!

Details zum Film

  • Titel: „Perfect Days“ (パーフェクト・デイズ)
  • Premiere: 25. Mai 2023 beim Filmfestival von Cannes
  • Erscheinungsdatum (Deutschland): 21. Dezember 2023
  • Erscheinungsdatum (Japan): 22. Dezember 2023
  • Dauer: 123 Minuten
  • Regie: Wim Wenders (ヴィム・ヴェンダース)
  • Drehbuch: Wim Wenders; Takasaki Takuma (高崎卓馬)
  • Kamera: Franz Lustig ( フランツ・ラスティグ)
  • Produktionsland: Japan, Deutschland
  • Sprache: Japanisch
  • Darsteller:
    • Yakusho Kōji (役所広司): Hirayama (平山), Toilettenreiniger,
    • Emoto Tokio (柄本時生): Takashi (タカシ), jüngerer Toilettenreiniger,
    • Yamada Aoi (アオイヤマダ): Aya (アヤ), Freundin von Takashi,
    • Nakano Arisa (中野有紗): Niko (ニコ), Hirayamas Nichte,
    • Aso Yumi (麻生 祐未): Keiko, Hirayamas Schwester, Nikos Mutter,
    • Ishikawa Sayuri (石川さゆり): „Mama“, Inhaberin eines Izakaya, das heißt einer japanischen Kneipe,
    • Miura Tomokazu (三浦友和): Tomoyama, „Mamas“ Ex-Ehemann,
    • Tanaka Min (田中泯): Obdachloser.

Links

 

3 Gedanken zu „Filmkritik: „Perfect Days“ (2023)“

  1. Allein die Filmkritik ist schon inspirierend. ^^ Klingt nach einem Film, der erdet und vielleicht die Perspektive auf das eigene Leben etwas verrückt. Bin gespannt, kommt auf jeden Fall auf meine Liste an Filmen die ich noch sehen möchte. Danke für den Filmtipp. 😊

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  2. Ein Film, der mich sehr beeindruckt hat , in Handlung und Inhalt….
    Hirayama kann mit wenig Dialogen nur durch seine Mimik punkten..
    Ich schaue mir den Film ein zweites Mal an ..Durch Deine interessante Beschreibung konnte ich meine Japanischvokabeln wieder ein bisschen auffrischen…

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  3. Ja, auf jeden Fall sehenswert. Der Film gibt auch einige Rätsel auf. So scheint die Schwester überaus wohlhabend, was einen Hinweis auf Hirayamas eigene Herkunft gibt. Dass er den gebrechlichen und nach Auskunft der Schwester „nicht mehr so schlimm wie früher“ seienden Vater nicht besuchen will, könnte auch ein Hinweis dafür sein, dass er seinen Beruf als Toilettenputzer freiwillig auf Grund familiärer Erlebnisse in der Vergangenheit gewählt hat. Dazu würde auch passen, dass er ja überaus belesen ist. Der Film regt einen jedenfalls auch später noch zum Nachdenken an.

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